„Das Ende der Fahnenstange ist noch lange nicht erreicht…“

Stellungnahme des Stadtjugendrings Lüneburg e.V. zum Thema „Haus der Jugend“

Nachdem in der letzten Sitzung des Jugendhilfeausschusses das Konzept der dezentralen Jugendräume vorgestellt wurde, erreichten uns als Stadtjugendring vermehrt Anfragen zu der Entstehung und unserer Position zu dem Konzept. Daher möchten wir in dieser Stellungnahme den Weg von der Idee zum Konzept und unsere Beteiligung nachzeichnen und unsere Wünsche und Ansprüche an ein Haus der Jugend formulieren.

Ein “Haus der Jugend” in Schweden, Foto: Charlotte H.

Was bisher geschah…
Seit das Haus der Jugend in der Katzenstraße Anfang 2015 Geschichte ist, versucht der Stadtjugendring ein neues Domizil für Jugendliche in Lüneburg zu finden. So wurde 2018 mit einem Antrag im Jugendhilfeausschuss der Hansestadt auf das Problem aufmerksam gemacht und für den Verlust, der mit dem Verkauf des alten Hauses der Jugend einhergeht, sensibilisiert. Die Stadtverwaltung Lüneburg unterstützte im Jugendhilfeausschuss unsere Forderung und schlug ein bahnhofsnahes Gebäude vor. Dies sahen wir aus mehreren Gründen kritisch. Aus unserer Sicht muss Jugendleben zentral in der Stadt platziert werden.

Seitdem ist eine Menge Wasser die Ilmenau herab geflossen, aber untätig waren weder wir noch die Stadtverwaltung. Der Stadtjugendring stand im engen Austausch mit seinem Mitgliedsverband CVJM, der die Räumlichkeiten „Die Finke“ betreibt. Zusammen sondierten wir die Möglichkeiten, im gleichen Haus derzeit ungenutzte Räume für Jugendgruppen und die Jugendverbandsarbeit in der Stadt zu erschließen. Zeitgleich traten an die Stadtverwaltung zudem auch die Nachnutzer:innen des Salon Hansens – der studentische Verein Originalton – mit einer ähnlichen Idee für ihre Räumlichkeiten heran.

In einem “Haus der Jugend” in Schweden,
Foto: Charlotte H.

Ebenfalls in diese Zeit fallen die Planungen für einen Umzug des Stadtjugendrings in neue Räumlichkeiten in der Wandfärberstraße. Diese neuen Räume erlauben erstmals seit dem Umzug aus dem damaligen Haus der Jugend ins jetzige Büro im Jahr 2015 wieder deutlich erweiterte Nutzungs- und Lagermöglichkeiten. Daher möchten wir die Räumlichkeiten auch Jugendgruppen und -initiativen für zur Verfügung stellen und unseren Materialverleih professionalisieren.

Im dann folgenden Prozess formulierte der Stadtjugendring seine Positionen zu und seine Wünsche an ein Haus der Jugend in Lüneburg:

Eines oder mehrere Häuser der Jugend!
Natürlich wünschen wir uns ein gut ausgestattetes Haus, das viele Möglichkeiten für Jugendliche und Jugendgruppen bietet. Unser Traum ist ein Haus im Zentrum Lüneburgs, welches partizipatorisch – das heißt, selbstverwaltet von Jugendlichen und Jugendgruppen – organisiert und geführt wird.

Tonstudio in einem “Haus der Jugend” in Schweden. Foto: Charlotte H.
  • Wir sind überzeugt:
    • Jugendliche und Jugendgruppen brauchen zentrale und gut erreichbare Gruppenräume, in denen sie sich treffen können. Diese Räume müssen von ihnen gestaltbar sein – was eine nur „Mit“Nutzung, wie in den Stadtteilhäusern ausschließt.
    • Jugendliche brauchen Veranstaltungsräume, möglichst niederschwellig buchbar. Jugendliche brauchen Räume zum Ausdrücken und Schaffen (Veranstaltungsraum, Schulungsraum, Computerraum etc.)
    • Jugendliche brauchen Räume, um kreativ und entspannt zu sein (Musik- und Tanzraum, Raum mit Billard, Tischkicker, Tischtennis, Dart etc., Werkraum, Küche und Chillraum etc.)
    • es muss genügend Raum für unterschiedliche Gruppen bestehen, damit Diversität und Kennenlernen möglich ist.
    • Jugendgruppen brauchen Lagerräume für Material
    • Jugendliche brauchen freies W-LAN
    • die Räume müssen flexibel ausgestattet sein (Stühle und Tische müssen flexibel, gestaltbar und nützlich sein.)
    • die Räume müssen barrierefrei sein (für alle Geschlechter, Kulturen und Beweglichkeiten)
    • Räume müssen nachhaltig sein
    • im Idealfall ist ein gestaltbarer Außenbereich vorhanden (frische Luft, Urban Gardening, Grillen und Chillen, Graffiti, Skaten und Bewegen etc.)

Da große Gebäude in der Innenstadt (z.B. ehemalige Musikschule) nicht mehr im Besitz der Stadt sind, wurde vom Stadtjugendring sowie von der Stadtverwaltung Lüneburg unabhängig voneinander, aber zeitgleich, ein Konzept der dezentralen Jugendräume entwickelt (Arbeitstitel beim Stadtjugendring: „Hotspots für die Jugend“). Eine zeitnahe Etablierung eines neuen Hauses der Jugend ist für uns elementar, daher konnten wir uns schnell mit der Hansestadt Lüneburg auf ein daraus entstandenes Grobmodell verständigen.
Für uns als Lobbyverband für Kinder und Jugendliche ist das zentrale Element des nun vorgestellten Modells: Es muss von Beginn an mit Kindern und Jugendlichen – schon ab der ersten Planungsphase – entwickelt werden, denn sie sind die besten Expert:innen für ihre Bedürfnisse und Ansprüche! Nur durch dieses hohe Maß an Partizipation und Gestaltungsmöglichkeiten kann aus der Stadt Lüneburg ein Hotspot der Jugend werden!

Musikanlage in einem “Haus der Jugend” in Schweden. Foto: Charlotte H.

Für den von der Stadt angekündigten Verkauf des Gebäudes, in dem das jetzige Jugendzentrum Stadtmitte seit Jahrzehnten untergebracht ist, bedarf es dringend Ersatz. Das derzeitige Jugendzentrum Stadtmitte hat mit seinem Ansatz, gerade Kindern und Jugendlichen mit Fluchterfahrung einen Raum zu geben, in den letzten Jahren ein wichtiges Element der Integration geleistet. Die dort geleistete Arbeit mit Jugendlichen darf weder diesem Verkauf zum Opfer fallen, noch darf sie in das jetzige Modell eines dezentralisierten Hauses der Jugend hinein gequetscht werden. Offene-Tür-Arbeit hat einen eigenen pädagogischen Ansatz und unterscheidet sich grundlegend von der selbstverwalteten Struktur eines Hauses der Jugend. Beide haben ihre Berechtigung, aber sehr unterschiedliche Zuschnitte, die sich aus der Sicht des Stadtjugendrings – in den gleichen Räumlichkeiten – nicht miteinander vereinbaren lassen.

Und noch etwas: Für den Stadtjugendring steht fest: Mit den jetzt ins Auge gefassten Standorten, Wandfärberstraße, „Finke“ und „Salon Hansen“ ist das Ende der Fahnenstange nicht erreicht.
Zum einen müssen weitere Räume für Kinder und Jugendliche im Zentrum der Stadt erschlossen werden und zum anderen: Der Traum von einem „richtigen“, „großen“ Haus der Jugend ist noch lange nicht ausgeträumt!

Pressemitteilung des Stadtjugendrings Lüneburg vom 25.06.2011

Stadtjugendring Lüneburg: Frommestraßen-Protest ist Jugend-Beteiligung pur

Der Stadtjugendring Lüneburg unterstützt die seit nunmehr drei Jahren andauernden Proteste gegen die –zunächst geplante– Wohnneubebauung in der Frommestraße. Vor allem junge Menschen engagieren sich gegen den Abriss des zeitweise als Kultur- und Partyraum genutzten Hauses.

Der Stadtjugendring sieht in der Besetzung des Geländes rund um dieses Haus ein besonderes Engagement für das direkte Wohnumfeld. Junge Menschen wehren sich gegen Kommerzialisierung und die bedingungslose Opferung ihres Lebensraumes für die Interessen von Großunternehmern. Wie in anderen Städten auch, gehen junge Menschen gerade in Stadtteilen mit einer ausgeprägten und gewachsenen Stadtteilkultur auf die Straßen, um gegen Gentrifizierung und Raubbau zu protestieren.

Die Stadt Lüneburg hat sich auf die Fahnen geschrieben mehr für Partizipation von Kindern und Jugendlichen zu tun. Sie hat eigens eine Arbeitsgruppe dazu ins Leben gerufen, in der darum gerungen wird, jungen Menschen Mitbestimmungsrechte zu verleihen. Hier in der Frommestraße wird Partizipation und Verantwortung für das Gemeinwesen praktisch gelebt. Ganz ohne Auftrag und Mandat. Was kann sich ein Gemeinwesen denn mehr wünschen, als aktive, wache und engagierte junge Menschen, die sich um ihr Umfeld kümmern.

“Hier findet kein Protest zur Verhinderung von irgendetwas statt, hier findet der lebhafte Protest FÜR den Erhalt von Stadtteil- und Jugendkultur statt.” sagt Björn Adam, Vorsitzender des Stadtjugendrings. Und der zweite Vorsitzende, Georg Gunkel-Schwaderer fügt hinzu: “Dass dies stellenweise an den so fest gefügt scheinenden Regularien dieser Gesellschaft rüttelt, darf dabei nicht verwundern und schon gar nicht stören. Hätte es diese Proteste seit 2008 nicht gegeben, würde vermutlich an jener Stelle nun ein Pracht-Glasbau im Baugrund versinken und niemand wäre Bereit die Verantwortung dafür zu tragen.”

Der Stadtjugendring spricht sich dafür aus, dass die Stadt Lüneburg, allen voran der Oberbürgermeister, sich der Problematik annimmt und sich für eine produktive Verständigung zwischen derzeitigem Eigentümer und den jungen Menschen einsetzt.